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Christoph Wilhelm Hufeland

Hufeland, Christoph Wilhelm, königlich preußischer Staatsrat (im Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten), erster wirklicher Leibarzt des Königs, Professor an der Universität, Direktor des poliklinischen Instituts derselben, der medizinisch-chirurgischen Militär-Akademie und der sämtlichen medizinischen Staatsprüfungen, erster Arzt der Charité etc. etc. in Berlin, einer der berühmtesten und geehrtesten Ärzte seiner Zeit, war am 12. August 1762 zu Langensalza in Thüringen geboren, wo sein Vater einen bedeutenden ärztlichen Wirkungskreis hatte; der Großvater, wie später der Vater, waren Leibärzte am weimarscheu Hof, auch ein Oheim übte die ärztliche Kunst aus. Wir sind in der glücklichen Lage, den langen Lebenslauf Hufelands in einer Selbstbiographie verfolgen zu können, die, bis zum 8. Juli 1831 reichend, von dem dem Erblinden nahen Greis teuren Händen diktiert wurde. Sehr viele der nachstehenden Angaben sind dieser wichtigen Quelle entnommen.

Kaum drei Jahre alt, siedelte Hufeland mit seinem Vater, der mit dem Titel eines Hofrats zum Leibarzt der Herzogin-Witwe Amalie, Regentin von Sachsen-Weimar und Obervorsteherin ihres Sohnes Karl August, ernannt worden war, nach Weimar über, wo Hufelands Vater nach dem Regierungsantritt des Herzogs Karl August (1775) auch bei diesem die Stelle eines Leibarztes bekleidete, bis er zur Ausübung der Praxis unfähig wurde.

Seine Erziehung erhielt der junge Hufeland, zusammen mit seinen Schwestern, im väterlichen Hause durch Hofmeister, von denen einer, namens Reste, den günstigsten Einfluss auf Hufelands Entwicklung hatte, ihn frühzeitig sich selbst beschäftigen und innerlich zu leben lehrte, ihm eine gründliche klassische Bildung und religiöse Grundsätze beibrachte und ihm den Aberglauben nahm, so dass Hufeland noch im hohen Alter sich dankbar seines etwas pedantischen, aber sonst vortrefflichen Lehrers erinnerte. Die letzten drei Jahre seiner Schulzeit, vom 15. bis 18. Jahr, ging Hufeland zwar nicht auf das Gymnasium, aber zu dem Direktor desselben, Heinze, der ihn, nebst einigen anderen Primaren, durch Privatstunden im Lateinischen und Griechischen vervollkommnete. Dass auch Goethe, der im Alter von 26 Jahren, 1775 in Weimar eingezogen war und in diesem bis dahin ziemlich philisterhaften Ort eine wunderbare Revolution hervorgerufen hatte, so wie der durch Goethe ebendahin gebrachte Herder durch seine imponierende Erscheinung und durch seine gewaltigen Predigten auf ein junges empfängliches Gemüt, wie dasjenige Hufelands von großem Einfluss sein musste, bedarf keiner besonderen Versicherung.

Im Frühjahr 1780 bezog Hufeland die Landesuniversität Jena, deren Hebung Karl August seit seinem Regierungsantritt nebst seinem Freund Goethe, sich hatte angelegen sein lassen. Freilich ließ sich der daselbst unter den Studenten herrschende, über alle Maßen rohe und ausgelassene Ton nicht mit einem Schlage beseitigen; allein der Ernst des Studium, Fleiß, Nachdenken und die herrliche Natur trugen das Ihrige bei, ihn davor zu bewahren. Freilich gibt er an, das Einzige, was er in Jena gelernt habe, sei Anatomie gewesen, in der ihn und seine Kommilitonen Loder mit zwei Kadavern – mehr hatten sie den ganzen Winter hindurch nicht – vortrefflich zu unterrichten wusste. Zu Ostern 1781 bezog Hufeland die Universität Göttingen, die, obgleich die jüngste unter ihren deutschen Schwestern, sich bereits zu hoher Blüte, auch in der Medizin, entwickelt hatte, in der Richter, Murray, Baldiger, Wrisberg, Blumenbach, Gmelin lehrten. Der unter den dortigen Studierenden herrschende Geist, ganz verschieden von dem in Jena, führte auch in Hufelands Wesen eine totale Veränderung herbei; er fand kein größeres Vergnügen, als seine Collegia zu hören und dann auf seiner Stube zu studieren. Einige in diese Zeit fallende Todesfälle in seiner Familie, zuerst der Tod seines Schwager Weber, Professors der Theologie in Jena, dann der von Hufelands Mutter (1782) trugen noch mehr dazu bei, ihn ernster zu stimmen. Von großem Nutzen war ihm der Umgang mit Lichtenberg und Oman; Ersterer, zusammen mit Richter und Blumenbach, hatten den stärksten Einfluss auf seine Bildung; Richter verdankte er die vorwaltend praktische Richtung in der Wissenschaft, der er sein ganzes Leben lang treu geblieben ist. In dem heißen trockenen Sommer des Jahres 1788, wo ein Erdbeben in Kalabrien stattfand und ein trockener Höhenrausch die ganze Luft erfüllte, promovierte Hufeland am 24. Juli mit einer Dissertation über die Kraft der Elektrizität beim Scheintod („Diss. inauf. sistens usum vis electricae in asphyxia experimentis illustratum“) zum Dr. med. und reiste am folgenden Tag nach Weimar ab.

Er fand den Vater halb erblindet, sehr gebeugt und traurig; dem 21jährigen jungen Mann fiel die schwere Aufgabe zu, nun auch die Stütze des Vaters und des ganzen Hauses zu werden, durch Übernahme der ganzen großen, nicht allein über die Stadt, sondern auch auf das Land, bis an die Harzgrenze Thüringens sich erstreckenden Praxis des Vaters. Die Jahre, wo andere Jünglinge zu ihrer weiteren Ausbildung reisen oder das Leben genießen, verflossen ihm unter schwerer, oft kaum zu bewältigender Arbeit, Sorge und Anstrengung. Andererseits aber machte Hufeland unter seines Vaters erfahrener Leitung dabei eine bessere Schule durch, lernte mehr und bildete sich besser zum praktischen Arzt aus, als wenn er alle Länder und Hospitäler Europas besucht hätte. Freilich war die Praxis in Weimar, der Hufeland mit vielem Glück 10 Jahre lang (1783 bis 1793) oblag, recht mühevoll. Nicht allein musste er von früh bis abends zu Fuß herumlaufen, sondern auch die Landpraxis, zuweilen 4–5 Meilen weit, verursachte bei den damaligen abscheulichen Wegen und im Winter oder Frühjahr bei Tauwetter nicht nur große Anstrengung, sondern war bisweilen mit Lebensgefahr verbunden. Das Allerbeschwerlichste für ihn aber war, dass er, nach der damaligen, fast allgemein herrschenden Sitte, die Arzneien selbst zubereiten, also nach ermüdenden Krankenbesuchen noch den Apotheker machen und dann noch die verabreichten Arzneien in Bücher eintragen musste, um zu Ende des Jahres oder der Krankheit die Rechnung machen zu können. Doch das hatte wieder den Vorteil, dass der junge Arzt daran gewöhnt wurde, sein Krankenjournal regelmäßig zu führen und dass er beim Selbstdispensieren der Arzneikörper diese weit besser kennen lernte und von ihrer Güte und Echtheit sich überzeugen konnte. Diese praktische Schule, die Hufeland durchmachte, war zweifellos die beste Vorbereitung für seine spätere akademische Laufbahn, von der er freilich damals noch nichts ahnte. Seine einzige Erholung nach den oft geradezu erschöpfenden Anstrengungen war, außer den stillen häuslichen Stunden mit dem Vater, vier Schwestern und einem jüngeren Bruder, mit denen zusammen er ein Haus bewohnte, die Beschäftigung mit der Wissenschaft und der Umgang mit einigen Freunden und geistreichen Männern. Für die Naturwissenschaften, namentlich die Physik und ganz besonders die Elektrizitätslehre, hatte er noch große Liebe von der Universität mitgebracht und benutzte er die auserlesene praktische Bibliothek seines Vater zum Studieren. Mit den damals Weimar zierenden großen Geistern, wie Wieland, Herder, Goethe, Schiller hatte er nicht nur Umgang, sondern hatte Gelegenheit, sie als ihr Arzt noch genauer kennen zu lernen. Näher traten ihm noch die folgenden vier Männer: Bode, der treffliche Übersetzer englischer Romane und eifrige Bekämpfer des Jesuitismus, Bertuch, der vielgewandte Schriftsteller und Industrielle, der Arzt Buchholz und Museum, der Herausgeber der Volksmärchen der Deutschen. So entwickelte sich denn auch in diesem Kreise heller geistiger Elemente Hufelands Liebe zur Schriftstellerei, die später geradezu unübersehbar geworden ist. Die erste Veranlassung dazu gab das Unwesen, welches Mesmer, damals in Wien, mit seinem Magnetismus trieb und die daraus hervorgegangene Literatur. Von seinen Freunden gedrängt, von Bertuch aufgemuntert und mit literarischen Hilfsmitteln unterstützt, seiner Lichtenbergschen gesunden Physik sich erinnernd, trat Hufeland mit seinem ersten literarischen Versuch, einem Aufsatz unter dem Titel „Mesmer und sein Magnetismus“, 1785 im Deutschen Merkur abgedruckt, hervor, in welchem er das Unergründliche und Unphysische der Sache aufdecken und Alles auf Sinnestäuschung und selbst Sinnlichkeit zurückzuführen sich bemühte. Wieland war mit dieser Leistung so zufrieden, dass er dem jungen Autor ein sehr schmeichelhaftes Billet nebst 10 Dukaten schickte. Sein erstes, 1787 erschienenes Buch war eine Abhandlung „Ueber die Ausrottung der Pocken“, in welcher er nach seinen in einer äußerst bösartigen Pockenepidemie zu Weimar gemachten Erfahrungen, die Absonderung, damals das einzig denkbare Schutzmittel, vorschlug.

Angeregt durch Peter Franks Empfehlung, die Errichtung von Leichenhäusern zur Aufnahme der Verstorbenen bis zum Eintreten der Fäulnis, wirkte Hufeland mit menschenfreundlichem Eifer dafür, zuerst im Deutschen Merkur (1790), dann in einer neuen Schrift „Ueber die Ungewissheit des Todes etc.“, 1791, in welcher er bereits von der durch Subskription erfolgten Errichtung des ersten Leichenhauses in Weimar Nachricht geben konnte. Selbst in seinen letzten Lebensjahren hat Hufeland noch die Errichtung von Leichenhäusern in Berlin und an anderen Orten durch seine menschenfreundlichen Ratschläge gefördert. Als Naturforscher beschäftigten Hufeland um diese Zeit auch Untersuchungen über die Irritabilität der Pflanzen, besonders die merkwürdigen Bewegungen des Hedysarum Grans und Versuche über die Einwirkung der Elektrizität auf diese Bewegungen. In den Jahren 1791 und 92 veröffentlichte er seine Untersuchungen über die von ihm beobachteten Unterschiede der natürlichen und künstlich durch Einimpfung erzeugten (Menschen-)Pocken und empfahl letzteres Verfahren, um sich gegen das oft sehr schwer Befallenwerden von den Pocken (das man damals als ein kaum zu vermeidendes Übel ansah) zu schützen.

Gleich in seinen ersten literarischen Arbeiten zeigte sich das Streben Hufelands, seine Erfahrungen nicht bloß den Fachkreisen, sondern dem großen Publikum nutzbar zu machen und muss Hufeland zu den hervorragendsten wissenschaftlichen Ärzten Deutschlands gerechnet werden, von dem einige wichtige Arbeiten auch unter dem Laienpublikum die weiteste Verbreitung gefunden haben.

Schon in den letzten vier Jahren seines Aufenthalts in Weimar beschäftigte ihn die Grundidee zu seiner Makrobiotik und Pathogenese und wurden von ihm in den frühen Morgenstunden niedergeschrieben. Den ersten Anstoß zur Makrobiotik gab ihm Bacons Historie vitae et mortis, seine Ideen über Leben und Lebenskraft wurden durch die Beobachtung der Natur im gesunden und kranken Zustand angeregt. – Am 13. März 1787 starb Hufelands Vater und wurde er nun selbständig, sowohl in der Praxis, als in bürgerlichen und ökonomischen Verhältnissen; gleichwohl lebte er mit seinen Geschwistern im väterlichen Hause fort, obgleich er sich bereits im November desselben Jahres mit einem 16jährigen Mädchen verheiratete. Wenn es auch der elfthafteste Wunsch seines Vaters gewesen war, den Sohn dereinst am Hofe zu seinem Nachfolger als Leibarzt ernannt zu sehen, wie es einst der Großvater gewesen war, was das Schicksal dem jungen Arzt in dieser Beziehung nicht günstig, indem einige von ihm behandelte Krankheitsfälle am Hofe einen ungünstigen Verlauf nahmen. Er war und blieb daher nur Hofmedicus mit 100 Talern Gehalt. Eine bedeutsame Wendung in seinem Leben aber ereignete sich im Herbst 1792, als, bei Gelegenheit eines von ihm in Goethes Haus gehaltenen Vortrages, dem auch der Herzog beiwohnte, dieser so von dem Vortrag befriedigt wurde, dass er Hufeland zum Professor in Jena zu machen beschloss. „Der Hufeland paßt zu einem Professor, ich will ihn nach Jena versetzen“, hatte er zu Goethe gesagt und so geschah es denn, dass Hufeland, obgleich durch viele Bandes des Geistes und des Herzens an Weimar gefesselt, aus Liebe zur Wissenschaft sich entschloss, zu Ostern 1793 ein Lehramt in Jena als Professor ordinar. honorar, mit nicht mehr als 300 Talern Gehalt anzutreten. Seine Vorlesungen fanden den verdienten Beifall, besonders die der Makrobiotik, die er in dem großen Auditorium vor bis zu 500 Zuhörern öffentlich vortrug. Die anderen Vorlesungen, in denen er 80–100 Zuhörer hatte und der klinische Unterricht nahmen einen nicht unbeträchtlichen Teil des Tages fort; unglaublich klingt es, wenn Hufeland, wie er angibt, in der Klinik mit 300 Talern, die er für dieselbe erhielt, jährlich 600 Kranke verpflegen und 50 junge Leute in derselben praktisch beschäftigen konnte – freilich durch die Verwendung ihrer Honorare für das Institut. Hierzu kam noch der freundliche Empfang, der Hufeland in dem Kreis hochgebildeter Kollegen zu Teil wurde, wie Loder, Stark, Batsch, Griesbach, Paulus, Hufeland, Schiller, zu denen in der Folge noch Schlegel und Schelling sich gesellten. Nachdem Hufeland schon im Jahr 1794 durch eine Schrift („Erinnerungen an alle Mütter, denen die Gesundheit ihrer Kinder am Herzen liegt“), die später 1799 eine Erweiterung erfuhr („Guter Rath an Mütter über die wichtigsten Punkte der physischen Erziehung der Kinder in den ersten Jahren“) auf die physische Erziehung seine gemeinnützigen Belehrungen ausgedehnt hatte, erschienen im Jahr 1795 Hufelands „Ideen über Pathogenese“, 1796 die „Kunst das menschliche Leben zu verlängern“, von der 3. Auflage (1805) an unter dem Titel „Makrobiotik“, eine Schrift, die zahlreiche Auflagen erlebt (8. Auflage 1860) und, in alle europäischen Sprachen übersetzt, eine Verbreitung in der ganzen Welt gefunden hat.

Auch der Journalistik wendete sich Hufeland nunmehr mit ganzem Eifer zu. Bereits von 1791 an (bis 1800) hatte er unter dem Titel „Neueste Annalen der französischen Arzneikunde und Wundarzneikunde“ eine Zeitschrift zur Mitteilung der besten Aufsätze und Beobachtungen französischer Ärzte herausgegeben, die er im Verein mit B. R. G. Schreier und J. Ch. F. Harleß als „Journal der ausländischen medizinischen Literatur“ bis 1803 fortsetzte. Wichtiger aber und von großem Einfluss auf die Förderung aller Zweige ärztlichen Wissens und Könnens war das 1795 begonnene „Journal der praktischen Arzneikunde und Wundarzneikunde“, das bis zu Hufelands Tod, 1836, in 83 Bänden (1809 bis 1814 mit K. Himmle, 1815–18 mit J. Ch. F. Harleß, seit 1821 mit E. Osann zusammen herausgegeben) zu den ansehnlichsten, reichhaltigsten, lehrreichsten medizinischen Zeitschriften in deutscher Sprache gehört hat und auch nach Hufelands Tod noch bis 1844 fortgesetzt worden ist. Mit der Herausgabe des Journals verband Hufeland seit 1799 die einer kritischen Zeitschrift („Bibliothek der praktischen Heilkunde“) bei der in denselben Jahren die vorher angegebenen Mitarbeiter tätig waren und an die sich seit 1808 eine von Fr. L. Augustin herausgegebene alljährliche wissenschaftliche Übersicht der gesamten medizinischen Literatur und der Leistungen in allen Fächern der Heilkunde schloss.

Außer den wissenschaftlichen Nutzen, den das für die Aufrechterhaltung der erfahrungsmäßigen Medizin (im Gegensatz zur hypothetischen) bestimmte „Journal der praktischen Heilkunde“ stiftete, wurde es auch für Hufeland eine gute Stütze in der Not, eine Hauptquelle seines Vermögens, indem er sich zum Grundsatz machte, die Einkünfte davon nicht auszugeben, sondern zurückzulegen. Auch nach außen hin machte es Hufelands Namen weiter bekannt, so dass er in den Jahren 1797–98 eine Reihe von auswärtigen Vocationen erhielt, zierst nach Kiel, dann nach Leipzig, dann als Leibarzt des Kaisers Paul nach Russland, endlich nach Pavia an Peter Franks Stelle, von diesem selbst dazu empfohlen. Er schlug sie alle aus, weil es ihm in Jena wohl erging und aus Dankbarkeit gegen sein Vaterland, obgleich der Ruf nach Pavia mit 4000 Talern Gehalt und vier Monaten Sommerferien wohl verlockend genug war. Indes machte Hufeland, in Folge dieser Vocationen, die gewiss bescheidene Bedienung, dass sein Gehalt von 300 auf 600 Taler erhöht und für seine Klinik ein kleines Krankenhaus eingerichtet werde. Selbst aber erklärt er diese Zeit für den höchsten Glanzpunkt seines Lebens, obgleich es, wie wir sehen werden, ihm später an den höchsten Ehren nicht fehlte. Bald aber sollte er mehrfachen Kummer erleben. Zunächst war es das Auftreten des (jetzt längst vergessenen) Broschen Systems, von dem selbst bedeutende Männer, wie Joh. Peter Frank und sein Sohn Joseph Frank, Ernst Horn u. A. sich hatten einnehmen lassen. Da dasselbe aller Naturanschauung und Erfahrung geradezu widersprach und in der Praxis auf einen gefährlichen Weg leitete, manche Gedanken auch, die Hufeland längst öffentlich ausgesprochen hatte, für sich beanspruchte, sah sich Hufeland veranlasst, sich gegen dasselbe (1799) zu erklären, wodurch eine (hauptsächlich von Weigand und Röschlaub veranlasste) literarische Fehde hervorgerufen wurde, die, 10 Jahre lange dauernd, von Seiten der Gegner zum Teil auf das Pöbelhafteste geführt, Hufeland, dem friedliebendsten Menschen, nicht wenig Kummer und Verdruss verursachte. Das zweite Unglück, das ihn (November 1798) betraf, war das plötzliche Erblinden seines rechten Auges. Daneben fehlte es ihm nicht an manchem häuslichen Kummer.

Kaum hatte Eduard Jenner (1796) seine segensreiche Entdeckung der Schutz- (Kuh-)Pockenimpfung gemacht, so nahm Hufeland, als einer der Ersten, den größten Anteil daran, erklärte die Vaccination als ein der allerwichtigsten Entdeckungen auf dem Gebiet der praktischen Heilkunde, suchte ihr Eingang in Deutschland zu verschaffen, sprach aber zugleich die (vollkommen gerechtfertigte) Besorgnis aus, dass das Vaccinieren nur auf eine zeit Land den gewünschten Vorteil bringe.

Das Jahr 1800 fand Hufeland ziemlich niedergebeugt; auch seine äußere Lage, wie die der Gelehrten und Universitäten überhaupt, war keine erfreuliche; denn die Folgen der französischen Revolution und des sich auch in Deutschland regenden Jacobinismus hatten die Fürsten namentlich gegen jene misstrauische gemacht. Auch bei Karl August waren die Jenenser Professoren und Studenten missliebig geworden; er besuchte sie nicht mehr, die versprochenen und begonnenen Verbesserungen blieben aus, das Hufeland versprochene und so nötige Krankenhaus kam nicht zu Stande. Schon verbreitete sich Missbehagen unter den Professoren, schon war Fichte in Folge des gegen ihn erhobenen Atheistenprozesses, nach Berlin abgegangen. Da erhielt Hufeland ganz plötzlich und unerwartet den Ruf nach Berlin, um die Stelle des Ausgangs des Jahres 1800 verstorbenen Dr. C. G. Selle als königlicher Leibarzt, Direktor des Collegium medico-chirurgicum, erster Arzt der Charité mit 1600 Talern einzunehmen, und so wurde denn Hufeland, der sich unter den angegebenen Umständen keinen Augenblick besonnen hatte, diesem Ruf Folge zu leisten, hierzu mit dem Prädikat eines Geheimen Rates und zugleich zum Präses der medizinischen Ober-Examinations-Commission und zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften ernannt. Während in Jena sich die Aussichten für die Zukunft trübten – seinem Beispiel folgten nachher mehrere der ausgezeichneten Lehrer, wie Lober, Paulus, Schelling, Hufeland – eröffnete sich ihm in Berlin ein größerer Wirkungskreis, ein großes Krankenhaus, in dem er als klinischer Lehrer mehr Nutzen stiften konnte, ein weniger beengtes Leben, ein liberaler, unter einer neuen Regierung neue aufblühender Staat, und für Hufeland als Familienvater besonders wichtig, in einer großen stadt eine schöne Aussicht für sich und seine Kinder. Durch seine literarischen Arbeiten, besonders die Makrobiotik und das Journal hatte er so viel gewonnen, dass er ein Kapital von 10.000 Talern besaß, welches er zum Ankauf des Gutes Hänlein an der Bergstraße zu 30.000 fl. rheinisch verwendete. Hufeland hatte sich dasselbe als Asyl für sein Alter gedacht; in Wirklichkeit fand er es aber in seinem Landhaus in Tiergarten bei Berlin. – Aber auch Berlin hatte Ursache, sich der auf Hufeland gefallenen Wahl zu freuen. 35 Jahre lang hat er daselbst einem ausgedehnten Wirkungskreis mit hoher Einsicht, strenger Rechtlichkeit und segensreichem Einfluss auf die Förderung und Verbesserung des preußischen Medizinalwesens vorgestanden, namentlich auch in treuer Fürsorge für die Gesundheit des Königs und er königlichen Familie.

Mit Eifer begann Hufeland im Frühjahr 1801 seine medizinischen Vorlesungen und die klinischen Übungen im Charitékrankenhaus, obgleich er daselbst auf mancherlei Übelstände traf, die er gern verbessert hätte, aber wegen der fielen konkurrierenden Behörden und weil er seinem Kollegen Fritze, einem wütenden Brownianer nur koordiniert, nicht vorgesetzt war, nicht abstellen konnte. Dieser Umstand, und weil er bei einer überwältigenden Praxis für wissenschaftliche Arbeiten und für sein Lehramt nur wenig tun konnte und in Folge der übermäßigen Anstrengungen seine Gesundheit zu leiden begann, trugen dazu bei, dass er, als ihm 1808 von Hannover aus die Professur der Therapie und Klinik in Göttingen angetragen wurde, diese seiner Neigung mehr entsprechende Stellung anzunehmen gesonnen war. Dem König indessen, der von den Verhandlungen gehört, gelang es, ihn in Berlin dadurch zu fesseln, dass er ihm zum Bau eines neuen Hauses 20.000 Taler anweisen ließ; Hufeland zog es indessen vor, ein Haus zu kaufen, das er sogleich beziehen konnte.

So wirkte Hufeland in Berlin weiter fort, nicht ohne den Kummer zu erleben, dass dem alternden Fritze (gest. 1804) in der Person des Dr. Ernst Horn, eines der heftigsten jungen Brownianern, ein Gehilfe und Nachfolger gegeben wurde. Hufeland ließ sich aber nicht abhalten, vom Jahr 1802 an bis 1806 jährliche klinische Berichte über den Zustand des Charitékrankenhauses herauszugeben. In diese Zeit fällt auch die Herausgabe und Vollendung eines größeren Werkes „System der praktischen Heilkunde“ (2 Bde., 1800–1805). Hufeland empfahl ferner dringend den allgemeinen Gebrauch lauwarmer Bäder (1802), warnte vor dem verderblichen Missbrauch des Branntweins (1802), gab (1802) Nachricht von dem in Berlin errichteten Impfinstitut, zu dessen Begründung und Förderung durch zweckmäßig Verordnungen und Aufmunterungen er wesentlich mitgewirkt hatte, wie er auch (1801) eine „Aufforderung an alle Ärzte Deutschlands in Betreff der Kuhpocken“ gerichtet hatte. Er machte weiterhin „Vorschläge zur Einführung bestimmter Medicinalmaße in allen Haushalten“ (1801), richtete eine „Aufforderung an die Brunnenärzte Deutschland besonders Schlesiens“ (1802), von Zeit zu Zeit die wichtigsten Erfahrungen über die Wirkung der Brunnen öffentlich mitzuteilen, gab in demselben Jahr Nachrichten über die neuerrichteten Seebäder zu Norderney und Colbert und machte sich auf diese Weise neben anderweitigen, bloß für ärztliche Kreise bestimmten Mitteilungen fortdauern um die Volksmedizin verdient. – Auch der Gallschen Schädellehre widmete er eine eingehende Darstellung und Beurteilung (1805), erklärte sich in denselben Jahren gegen Reils Schrift über die Notwendigkeit der Ausbildung ärztlicher Routiniers, und sprach sich in seiner Abhandlung (1806) über die Eigenschaften und Pflichten eines guten Arztes, wie er sie auffasste, aus.

Besonders wohltuend für Hufeland und seiner Gesundheit förderlich war die in Begleitung der von ihm hochverehrten Königin Louise nach Pyrmont und Nenndorf unternommene Reise, die ihm die erwünschte Gelegenheit bot, neue Currie, für die er ein großes Interesse hegte, kennen zu lernen. – Als im Oktober 1806 mit der Schlacht bei Jena die schwerste Prüfungszeit Preußens begonnen hatte, begleitete Hufeland die vor den Franzosen flüchtende königliche Familie, bei der er sich des ausgezeichneten Vertrauens erfreute, nach der Provinz Preußen und blieb bei derselben in Königsberg, Memel und Tilsit volle drei Jahre, bis zu ihrer Rückkehr nach Berlin, zu Weihnachten 1809. eine verheerende Typhusepidemie, welche in Folge der Kriegsdrangsale die Provinz überzog und selbst einige Mitglieder der königlichen Familie nicht verschonte, konnte von Hufeland eingehend studiert und beschrieben werden (1807). Einen Hauptgegenstand der Beschäftigung für Hufeland während seines Aufenthaltes in Königsberg bildete die mit der neuen Organisation des Staates vorzunehmende Veränderung in dem Medizinalwesen und die Errichtung der neuen Universität zu Berlin, bei welchen Vorbereitungen Hufeland kräftig mitwirkte.

Als die Zeit zur Rückkehr nach Berlin gekommen war, sah sich Hufeland, der sich in Folge trauriger Familienverhältnisse (er hatte sich von seiner Gattin, nach 18jähriger Ehe mit 7 Kindern, scheiden lassen müssen) und seiner zunehmenden Augenschwäche, besonders der Lichtscheu des Abends, die ihm das Praktizieren kaum möglich machte, in der trübsten Stimmung befand, zu der Erklärung genötigt, dass es ihm unmöglich sei, bei seiner jetzigen Lage in die früheren Verhältnisse zurückzukehren, dass es ihm am liebsten sei, mit einer mäßigen Pension aus dem Dienst zu scheiden, oder dass, wenn man ihn behalten wollte, dies nur unter der Bedingung geschehen könnte, dass man sein Gehalt sicherstellte, so dass er in Berlin ohne Nahrungssorgen, ohne die Notwendigkeit einer großen Praxis, rein dem königlichen Hause der Wissenschaft und dem Lehramt an der Universität leben konnte. Die Folge war, dass Hufeland als Staatsrat beim Medizinal-Departement 3000 Taler, als Leibarzt 1600 Taler bewilligt wurden und er sich nur der klinischen und konsultativen Praxis zu widmen hatte.

Noch in Königsberg hatte Hufeland unter dem Titel „Praktische Blicke auf die vorzüglichsten Heilquellen Deutschlands“ (1808, 9) eine Reihe von Aufsätzen veröffentlicht, die zu einer genaueren Kenntnis dieser wichtigen Kurmittel beitragen sollten. Er sprach sich ferner (1809) in einem Aufsatz über die Grenzen der Zulässigkeit der medizinischen Praxis durch Landgeistliche zum Besten des armen Landvolkes aus und gab darüber mustergültige Vorschriften.

Im März 1810 hatte Hufeland die Freude, zum Professor der speziellen Pathologie und Therapie an der neuen Universität ernannt, die bei derselben errichtete medizinische Poliklinik zu eröffnen, das erste Institut der Art für arme Kranke in Berlin, für welches der König als Gedächtnisstiftung seiner Rückkehr jährlich 1000 Taler bewilligte. Es war das erste medizinische Kollegium, welches an der neuen Universität gelesen wurde, da Hufeland vorläufig noch der einzige Repräsentant der medizinischen Fakultät und ihr erster Dekan war, sein Sohn Eduard der erste inscribierte Student der Medizin. Vom Jahr 1811 an bis 1835 sind über das klinische Institut regelmäßig Jahresberichte veröffentlicht worden, die letzten von dem Mitdirektor des Instituts, Professor Dr. E. Osann.

Hufelands wohltätiger und menschenfreundlicher Sinn betätigte sich auch durch seine Teilnahme an den Geschäften der Berliner Armendirektion; er machte Vorschläge zur zweckmäßigen Fürsorge für die bedürftigen Kranken, er entwarf eine Armenpharmakopoe (1810), die später in allen Armen- und Krankenanstalten des preußischen Staates und anderer Staaten eingeführt wurde. – Da gleichzeitig mit der Reorganisation des Staates eine neue und zweckmäßigere Organisation des gesamten Medizinalwesens im preußischen Staate eintrat, das Ministerium des Inneren die Leitung desselben, statt des aufgehobenen Obercollegium medicum und das Collegium medico-chirurgicum als Medizinisch-chirurgische Militärakademie reorganisiert wurde, erhielt Hufeland mit dem Prädikat Staatsrat, wie schon erwähnt, die Stelle als erster Rat in der Abteilung des gedachten Ministeriums für die Medizinalangelegenheiten, ferner die Stelle als erster Direktor der Medizinisch-chirurgischen Militär-Akademie und die Direktion der medizinischen Staatsprüfungen, auf deren bessere Einrichtung er schon zuvor wohltätig eingewirkt hatte. — Am 1. Februar 1810 stiftete Hufeland die noch heute in Berlin bestehende Medizinisch-chirurgische Gesellschaft, welcher, ihrem Wunsch gemäß, durch königliche Kabinettsordre vom 31. Mai 1833 (dem Jahr, in welchem Hufelands 50jähriges Doktorjubiläum gefeiert wurde) der Name „Hufelandsche Gesellschaft“ erteilt wurde.

Ende Mai 1810 reiste Hufeland, im Auftrag des Königs, nach Holland, dessen damaliger König Louis Napoleon an Lähmungen der Hände und Füße leidend, seinen Besuch und Rat gewünscht hatte. Hufeland wurde in Harlem vom König sehr wohlwollend aufgenommen; jedoch fiel gerade die letzte Revolution in Holland, durch welche es ganz zur französischen Provinz wurde, während der König sich seiner Verhaftung nur durch die Flucht entzog, mit Hufelands Reise zusammen, so dass es ihm nur mit Mühe gelang, über Rotterdam, Antwerpen und Aachen zurückzukehren. In Fulda erfuhr er zuerst, dann mit Gewissheit in Weimar, dass die Königin Luise während seiner Abwesenheit (am 19. Juli) gestorben war. Es war dies ein Donnerschlag für Hufeland, denn sein ganzes Herz hing an ihr. Bei seiner ersten Audienz beim König konnte weder dieser noch Hufeland sprechen; Tränen erstickten ihre Worte.

1811 endlich fand auch der Friedensschluss in dem Krieg wegen des Brownianismus mit Röschlaub statt und Hufeland gab in einem Aufsatz dem Publikum Rechenschaft über sein Verhältnis zu jener Lehre und seiner Theorie der Medizin; er machte auf das Leuchten des Seewassers als eine Auszeichnung der Seebäder aufmerksam, besprach das Milzbrandcontagium bei seinem Übergang von Tieren auf Menschen, den Wert des inländischen Opiums. Er berichtete ferner über das von der Berliner Medizinisch-Chirurgischen Gesellschaft gefeierte Jenner-Fest und den Zustand der Vaccination in Preußen, woran sich später regelmäßige Berichte über die in der ganzen Monarchie jährlich Vaccinierten knüpften. Einen in der Akademie der Wissenschaften (3. August 1810) gehaltenen Vortrag „Geschichte der Gesundheit des Menschengeschlechts nebst einer physischen Charakteristik des jetzigen Zeitalters“ veröffentlichte er 1812.

Als im Anfang 1813, zur Zeit der preußischen Volkserhebung der König mit seiner Familie nach Schlesien ging, folgte auch Hufeland derselben (12. Jan.) und blieb daselbst ein ganzes Jahr, den Winter über in Breslau, im Sommer in Kunzendorf, Landeck, Neisse. Er benutzte daselbst die vorteilhafte Gelegenheit, das Gut Marrdorf (bei Schweidnitz) für 35.000 Taler, zu denen er 15.000 Taler vom König geschenkt erhielt, zu erwerben. Erst im Januar 1814 kehrte Hufeland mit seiner Familie nach Berlin zurück und veröffentlichte in einer Schrift „Ueber die Kriegspest alter und neuerer Zeiten, mit besonderer Rücksicht auf die Epidemie im Jahre 1813“ seine nur zu reichlichen, in dieser Zeit über den Kriegs-Typhus gemachten Erfahrungen.

1815 verheiratete sich Hufeland, um für die Erziehung seiner Töchter besser sorgen zu können, zum zweiten Male. In demselben Jahr erschien von ihm eine treffliche Schrift über die deutschen Heilquellen; ein Werk von F. J. Stieglitz über und gegen den tierischen Magnetismus gab Hufeland neue Gelegenheit (1816), sich über denselben auszusprechen, weiterhin auch noch in den folgenden Jahren (1817, 1818, 1822), wie auch über die „Medicina magica“ und die „Rhabdomantie“.

Die nun folgenden Jahre flossen für Hufeland in größtenteils ungestörter Ordnung des Lebens dahin. Akademische Vorlesungen, Klinik, Hof, konsultative Praxis, Schriftstellerei, von Morgen bis Abend Beschäftigung, abends stiller Genuss des häuslichen Lebens mit Frau und Kindern, im Sommer gewöhnlich eine Reise, auf welcher er sich besonders auch für die Brunnen- und Badeorte interessierte, füllten seine Zeit aus. Unter seinen auch in dieser Zeit sehr zahlreichen literarischen Arbeiten haben wir, als von allgemeinem Interesse, hervor, seinen für die Anthropologie und Statistik wichtigen Vortrag in der Akademie „Ueber die Gleichzahl beider Geschlechter im Menschengeschlecht“ (1820, 21), und als Nachtrag dazu „Prädestination des Geschlechts“ (1826). Ferner „Von dem Rechte des Arztes über Leben und Tod“ (1828), sodann die von ihm mit aufmerksamem Blick verfolgte und signalisierte „Ankunft der orientalischen Cholera an der Grenze von Europa“ (1823). Im Jahr 1822, wo Hufeland auch eine neue Sammlung seiner kleinen Schriften (Bd. 1–4, 1823–28. Neue Auswahl Bd. 1, 1834) besorgte, begann er den 54 Band seines Journals mit einem „Blick auf die Lage der Heilkunst beim Antritt des Jahres 1822“, gab 1828 eine „Vergleichende Übersicht der epidemischen und contagiösen Krankheiten des Jahres 1822 in der ganzen preußischen Monarchie“, 1824 eine „Uebersicht der binnen 10 Jahren in der preußischen Monarchie an der Wasserscheu Verstorbenen“ heraus, sprach sich wiederholt (1826, 28, 30, 34) über die Homöopathie und deren Differenz von der Allopathie aus, handelte (1827) „Von den Krankheiten der Ungeborenen und Vorsorge für das Leben und die Gesundheit des Menschen vor der Geburt“, suchte in seiner „Intrognomik“ (1829) die Grundbegriffe für die gesamte Therapie fester zu begründen und in einem in einer juristischen Zeitschrift (1828) erschienenen Artikel „Ueber Monomanie, Unfreiheit und Zurechnungsfähigkeit“ nähere Aufklärung über diese Zustände zu geben. Als die asiatische Cholera 1830 bis in das Innere Russlands vordrang und dann weiter ihren Weg durch Europa nahm, sah ein Mann wie Hufeland sich verpflichtet, auch seine Meinung über diesen neuen unheimlichen Gast abzugeben und so finden sich denn (1830, 31) auch von ihm zahlreiche Abhandlungen über jene Krankheit. – Bereits im November 1829 hatte Hufeland einen Plan zu einem Hilfsverein für Notleidende Ärzte entworfen, der eine so allgemeine Zustimmung der Ärzte fand, dass sehr bald die durch Kabinettsordre vom 21. November 1830 bestätigte hufelandsche Stiftung ins Leben treten konnte, welche noch heute segensreich wirkt und zahlreiche vermögenslose, durch Krankheit, Altersschwäche und sonstwie unverschuldet in Not geratene Ärzte unterstützt hat. An diese Stiftung schloss sich im Jahr 1836 eine zweite, gleich wohltätige, zur Unterstützung der Witwen von Ärzten, die von Hufeland nicht bloß begründet, sondern auch ausgestattet wurde. Seinen zu stetem Wohltun geneigten Sinn hatte Hufeland auch bei einer anderen Gelegenheit, 10 Jahre früher bewiesen, als er sich, in den ersten Jahren des griechischen Befreiungskampfes, mit Strauß, Ritschl und Streckfuß an die Spitze einer Subskription zur Unterstützung der notleidenden Griechen stellte. Sein Aufruf brachte nach und nach so viele Beiträge zusammen, dass eine halbe Million Franken nach Griechenland geschickt werden konnte. – Ein Zeugnis von seiner großen Bescheidenheit legte ferner Hufeland dadurch ab, dass, als die Gnade des Königs ihn und seine Familie in den Adelsstand erheben wollte, er dies ablehnen zu müssen glaubte.

Bei der, wie wir gesehen haben, rastlosen Tätigkeit Hufelands, war die im Herbst 1830 erfolgte bedeutende Zunahme seiner Blindheit für ihn sehr traurig, da er sich dadurch des Lesens beraubt sah, obgleich er noch schreiben konnte. – Der 24. Juli 1833, der Tag, an welchem Hufeland vor 50 Jahren die medizinische Doktorwürde erworben, brachte ihm hohe Ehren, obgleich er der Bezeigung derselben sich durch Abwesenheit von Berlin entzogen hatte, indem er sich bei einem seiner Schwiegersöhne auf dessen Gut Klein-Mehsow in der Niederlausitz befand. Der König hatte ihm (wie noch nie zuvor einem Arzt und auch nach ihm nur ganz vereinzelt) den Roten Adler-Orden erster Klasse mit Eichenlaub verliehen, die Prinzen und Prinzessinnen des königlichen Hauses ein mit ihren Bildnissen und eigenhändigen Unterschriften geschmücktes Album; die Ärzte Preußens hatten die (zur Aufstellung in der Aula der Berliner Universität bestimmte) Büste des Gefeierten von Rauch in Marmor anfertigen lassen, ebenso ein kleines Standbild desselben in sitzender Stellung von Drake, ferner eine auf ihn geschlagene goldene Medaille. Ein ihm überreichtes Album oder Stammbuch enthielt die faksimilierten Namensunterschriften von 3200 seiner Verehrer im In- und Ausland, darunter Prinzen, Staatsmänner und zahlreiche Ärzte; seine Geburtsstadt Langensalza ließ ihm das Diplom als Ehrenbürger in silberner Kapsel überreichen. Dazu eine Fülle von Geschenken, Glückwünschen in Form gelehrter Abhandlungen, Adressen, Diplome etc. Die Universität und die militärärztlichen Lehranstalten begingen den Tag durch daselbst gehaltene Festreden, die Berliner Verehrer Hufelands versammelten sich zu einem Festmal.

Auch als Jubilar fuhr Hufeland noch für die ihm zugemessene Lebenszeit fort, für Staat und Wissenschaft segensreich zu wirken, trotz der sich bei ihm mehr und mehr geltend machenden, mit Harnverhaltung verbundenen Harnbeschwerden, welche ihm die letzten 5 Jahre seines Lebens gepeinigt haben. Noch aus den letzten Lebensjahren findet sich eine Reihe von Aufsätzen in seinem Journal, und noch wenige Wochen vor seinem Lebensende ließ der bis zum letzten Atemzug unermüdlich tätige Mann ein umfangreiches Werk, „Encheiridion medicum, oder Anleitung zur medizinischen Praxis, Vermächtnis einer 50jährigen Erfahrung“ erscheinen und bestimmte dessen ganzen Ertrag für die Hufelandsche Stiftung. Gleich nach dem Erscheinen der Schrift war sie schon vergriffen, Hufeland ging sofort an eine verbesserte, zweite Auflage und war noch, trotz aller Leiden, im Stande, dieselbe 8 Tage vor seinem Tod druckfertig zu machen (eine 10. Auflage erschien noch 1857). Außerdem hat er auch um das von der Berliner medizinischen Fakultät seit 1828 herausgegebene „Encyklopädische Wörterbuch der medizinischen Wissenschaften“ sich große Verdienste erworben und die ersten 13 Bände desselben mit vielen lehrreichen Artikeln bereichert. – Die Harnverhaltung, durch eine Vergrößerung der Prostata bedingt, nahm in den letzten Wochen des Lebens so zu, dass der Blasenstich bei ihm ausgeführt werden musste, der Tod erfolgte am 25. August 1836.

Nach der ausführlichen Darstellung seines Lebens kann es nicht schwer sein, eine Charakteristik seiner Persönlichkeit und seines Wirkens zu geben. Eine unerschütterliche Liebe zur Wahrheit, ein steter redlicher Wille, nur in ihrem Sinne zu wirken, ein hoher Begriff von der Würde und den Anforderungen der Wissenschaft, von den Pflichten des Schriftstellers, ein vollständiges Aufgehe im geistigen Leben, Scharfsinn, Umsicht und ein freies, jeder vorgefassten unzugängliches Urteil zeichnen ihn aus. Frei von allen Nebenrücksichten, stets reinen Zwecken folgend, bewahrte er ebenso treu das wahrhaft Gute der Vorgänger, wie er durch seine Geisteskraft auf die Entwicklung der Medizin als Wissenschaft und die Bildung seiner Zeit einzuwirken verstand. Nur dem Ergründen der Wahrheit ergeben, hielt er sich frei von allen einseitigen Systemen seiner Zeit, ohne das, was sie Gutes und Brauchbares boten, zu verkennen. Ausgezeichnet war insbesondere die durchweg edle, anziehende und geistvolle Sprache in seinen Schriften, sein Talent, strenge Wissenschaftlichkeit mit allgemeiner Verständlichkeit zu verbinden. Hierdurch gewann er schon früh eine ausgedehnte Popularität und einen weit reichenden Einfluss.

Als Arzt war er ein Vorbild umsichtiger, liebevoller Sorgfalt und freundlicher Teilnahme, die er bis in sein hohes Alter auch dem Geringsten angedeihen ließ. Nicht minder war er ein Muster rühmlicher Kollegialität, die er in seinem Wirkungskreis durch sein Beispiel und seine Bemühungen wesentlich förderte. Welche überhaupt die schätzbarste Seite seiner Persönlichkeit war, die Fülle und die hohe Ausbildung seines Geistes, oder der Edelsinn und die Menschenfreundlichkeit seines Herzens, lässt sich kaum entscheiden. Je mehr Verdient und Glück ihn hob, desto anspruchsloser und demütiger wurde er, wovon die schönen Dankschreiben nach seinem Jubiläum den redeten Beweis geben. Damit verband er einen hohen Sinn echt christlicher Religiosität, und wahre Frömmigkeit, wie er sie an seinen großen Vorgängern, einem Boerhaave, Friedrich Hoffmann, Haller pries, war die Grundlage seiner wissenschaftlichen und sittlichen Bildung. Er war einer der edelsten Männer seiner Zeit und sein Name ist der Unsterblichkeit würdig.

Vgl. J. J. Sachs, Chr. With. Hufeland. Ein Rückblick auf sein 70-jähriges Leben und Wirken, beim 12. August 1832, Berlin 1832. – Derselbe in seinem Medicinischen Almanach für das Jahr 1837. Nekrologische Erinnerungen, S. 89. – Fr. L. Augustin, Chr. Wilh. Hufelands etc. Leben und Wirken für Wissenschaft, Staat und Menschheit (mit Portrait), Potsdam 1837. – A. de Stourdza, C. W. Hufeland. Esguisse de sa vie et de sa mort chrétiennes, Berlin 1837. – E. Osann in Encyclopädisches Wörterbuch der medicin. Wissenschaften. Herausg. von den Proff. der medicin. Fakultät zu Berlin, Bd. 17, 1838, S. 127. – A. Göschen, Chr. Will. Hufeland. Eine Selbstbiographie in Deutsche Klinik, 1863. Nr. 13–31, auch als Separat-Abdruck, Berlin 1863. – Hufelands überaus zahlreiche literarische Leistungen s. in Callisen, Medicinisches Schriftsteller-Lexikon. Bd. 9. 1832. S. 221; Bd. 29. 1841. S. 76.

Ernst Gurlt, „Hufeland, Christoph Wilhelm“ in: Allgemeine Deutsche Biographie 13 (1881), S. 286-296