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Regrowing

Regrowing (engl., Regrowing Vegetables, Gemüse nachwachsen lassen), neudeutsch für ungeschlechtliche oder asexuelle Vermehrung von Pflanzen aus Gemüseresten; ein seit 2018 zunehmender Hype im Internet. Erklärtes Ziel der Regrowing-Bewegung ist es, aus Gemüseresten, die sonst in der Bio-Tonne landen würden, neue Pflanzen für den eigenen Genuss nachwachsen zu lassen. Tuber, VLogger, Influencer, und Buchautoren werben für diese Methode gerne mit der höchst verlockenden Aussicht, man könne neues Gemüse aus Gemüseresten „endlos nachwachsen“ lassen. Die perfekte Lösung für Nano-Farmer mit kleinem Geldbeutel und begrenzter Anbaufläche, so scheint es, denn die heimische Fensterbank soll beim Regrowing den Gemüsegarten ersetzen.

Zwiebel-, Lauch-, Rüben-, Möhren-, Kohl-, oder Salatstrünke und einige andere Gemüsereste bilden tatsächlich neue Wurzeln und treiben neues Kraut aus, der Aufwand an Ressourcen steht hier allerdings in keinem vernünftigen Verhältnis zum Ertrag. Die beim „Regrowing“ immer wieder genannten Gemüse aus dem Supermarkt regenerieren sich nämlich nicht, es entstehen keine neuen Zwiebeln, Karotten, oder Rote Bete, sondern nur mühsam zu ziehendes Kraut. Die „Pflanze“ oder, besser gesagt, der amputierte Gemüserest, der nach dem Verzehr von ihr übrig geblieben ist, steht beim „Regrowing“ unter erheblichem Stress, während sie ohne Blatt, mit beschädigter Wurzel, und dem kümmerlichen Rest ihres Speicherorgans ums Weiterleben kämpft. Mit einer vitalen, aus Samen gezogenen Jungpflanze kann Regrow-Gemüse nicht mithalten. Rühmliche Ausnahme: die essbare Sprossknolle der Kartoffel. Hier genügt tatsächlich ein kleines Stück der vorgekeimten Knolle, um eine vollwertige Pflanze wachsen zu lassen, die noch in der selben Vegetationsperiode essbare Knollen liefert; allerdings nicht auf dem Fensterbrett, sondern im Freien, in ausreichend lockerer Erde, die zu einem Damm angehäufelt wird, damit sich auf mehreren Etagen übereinander viele viele leckere Knollen bilden können.

Regrowing – kann man machen, muss aber nicht

Die implizite Botschaft des Regrowings, Bio-Müll müsse vermieden werden, entbehrt jeder Grundlage. Bio-Abfälle werden kompostiert, sie sind kein Müll im eigentlichen Sinne, sondern höchst wertvolle Nahrung für die nächste Pflanzengeneration; Kompostieren gehört zu den fünf »R« – refuse, reduce, reuse, recycle, rot – von Zero Waste.

Wider alle Vernunft, propagieren Regrow-Fans die wundersame in-Vitro-Kultur sogar für solche Pflanzen, die sich auf anderem Wege besser, schneller, und müheloser vermehren. Minze, Kresse, Erdbeere, und viele andere Pflanzen bilden von selbst Ableger, die einfach in einen benachbarten Pflanzkübel geleitet werden können, um dort als kräftige Jungpflanze anzuwachsen. Rhabarber, viele Kräuterarten, und Salate werden durch Ausgraben und Teilen des Wurzelballens vermehrt. Brombeere und Himbeere bilden Ableger in solch großer Zahl und exzellenter Qualität, dass sie an Ort und Stelle nur ausgegraben werden müssen, um sie an einem anderen Standort pflanzen zu können. Richtig und regelmäßig geerntet, verzweigen sich die Sprossachsen von Brennnessel, Basilikum, und anderen Kräutern derart, dass die doppelte Anzahl Blätter nachwächst. Die übersehene Kartoffel vom Vorjahr treibt in diesem Jahr aus und liefert neue Knollen, mit denen niemand gerechnet hat. Die Natur regrowt sich selbst, wer also braucht „Regrowing“? Sind es vielleicht die selben 16,4 Millionen Menschen, die glauben, Schokomilch stamme von braunen Kühen?

Wirklich grotesk wird das „Regrowing“, wenn in unseren Breiten mit großem Aufwand Neophyten wie Ananas, Mango, oder Avocado herangezogen werden, die knappe Ressourcen in Form von Wasser, Kompost, Anbaufläche, Energie, und Lebenszeit verbrauchen, aber nichts nützliches liefern, nicht einmal eine Blüte, an der sich Bienen oder Hummeln laben könnten. Wer hätte gedacht, dass sich die negative Ökobilanz von Avocado & Co. durch „Regrowing“ noch verschlechtern lässt?! Nachhaltig geht vermutlich anders.

https://www.youtube.com/watch?v=ClHsZiP4ZCw California Gardening https://www.youtube.com/watch?v=OpvPGQI1xj8 39 Monate bis zur ersten Ernte, in Kalifornien. Schösslinge aus den Blattachseln