
Hülsenfrüchte

Hülsenfrüchte (Leguminosen, Blattgetreide, Pahlkorn), die Samen vieler Leguminosen, die als Nahrungsmittel benutzt werden. Die wichtigsten Hülsenfrüchte sind Erbsen, Bohnen, Linsen; ihnen schließen sich an: die Acker- oder Saubohne (Vicia Faba), die Kichererbse (Cicer arietinum), die Platterbse (Lathyrus sativus), Wicke, Wicklinse, Linsenwicke, Kicher. Lupinen werden nur wenig als menschliches Nahrungsmittel benutzt, aber für die wärmeren Gegenden stehen die weitverbreitete Erdeichel (Arachis hypogaea), mehrere Dolichos-Arten und die Sojabohne (Soja hispida) in erster Reihe. Die Hülsenfrüchte sind charakterisiert durch ihren Reichtum an stickstoffhaltigen Körpern, besonders an Legumin. In dieser Hinsicht übertreffen sie das Getreide, das dagegen an Stärkemehl reicher ist. Neben dem Legumin enthalten die Hülsenfrüchte auch etwas Eiweiß; unter den stickstofffreien Extraktstoffen waltet das Stärkemehl bedeutend vor; Erdeichel und Sojabohne sind fettreich, sonst ist Fett in geringer Menge vorhanden, auch andere Bestandteile, wie aromatische und bittere Stoffe, Gerbsäure etc., treten sehr zurück; an Kali und Kalk aber sind die Hülsenfrüchte reicher als die Getreidearten. Die quantitative Zusammensetzung ergibt sich aus folgender Tabelle (vgl. auch die auf der Tafel »Nahrungsmittel« gegebene graphische Darstellung derselben):

Dem hohen Nahrungswert der Hülsenfrüchte (sie bilden das konzentrierteste Nahrungsmittel, das wir besitzen) steht schwerere Verdaulichkeit gegenüber, die nur durch zweckmäßige Zubereitung einigermaßen gehoben werden kann. Man muss Hülsenfrüchte mit weichem Wasser kochen, weil das Legumin mit Kalk- und Magnesiasalzen unlösliche Verbindungen bildet. Auch alte Hülsenfrüchte lassen sich schwer weichkochen. Zur Brotbereitung eignet sich das Mehl der Hülsenfrüchte wenig und wird auch nur an wenigen Orten dazu benutzt. Robusteren Konstitutionen sind die Hülsenfrüchte sehr zuträglich, ihre Ausnutzung ist gut. Von dem Eiweiß der gekochten Linsen werden allerdings nur 60 Proz. resorbiert, von dem des Leguminosenmehls aber 82 Proz. Auch bei Erbsenbrei gehen vom Stickstoff nur 17,5 Proz., von den Kohlehydraten nur 3 Proz. verloren. Über Nachteile, die aus übermäßigem Genuss von Hülsenfrüchten entstehen können, vgl. Lathyrismus. Ein großer Teil der kultivierten Hülsenfrüchte, besonders Erbsen und Bohnen, wird im unreifen Zustand als schmackhaftes und leichtverdauliches Gemüse (s. d.) genossen; die reifen Samen dagegen sind in Mitteleuropa verhältnismäßig wenig beliebt. Ein großer Teil der Hülsenfrüchte wird gegenwärtig auf Konserven (kondensierte Suppen, Erbswurst, Fleischleguminose etc.) verarbeitet. – Die Benutzung der Hülsenfrüchte ist uralt, und besonders die Ackerbohne diente schon in frühester Zeit als Nahrungsmittel. Auf dem Wege nach Eleusis stand ein dem Bohnengott Kyamites geweihter Tempel; den Ägyptern dagegen galt diese Bohne als unrein; schon 2800 v. Chr. wurde sie in China eingeführt. Auch Lupinus hirsutus wurde von den alten Griechen kultiviert und diente ärmeren Leuten sowie den Kynikern zur Nahrung; die Linse wurde von den Griechen, Juden und Ägyptern gebaut; auch die Erbse war im Altertum geschätzt, und in Indien muss ihre Kultur in eine ferne Zeit zurückgehen, während die Linse erst in neuerer Zeit in Bengalen Eingang fand. Bohnen, Erbsen und Kichererbsen fanden sich auf den Musterwirtschaften Karls d. Gr. und sind jetzt beinahe über die ganze Erde verbreitet. Vgl. Schertler, Anwendung des spezifischen Gewichts als Mittel zur Wertbestimmung der Kartoffeln, Zerealien und Hülsenfrüchte (Wien 1873), und Artikel »Hülsenfruchtbau«.
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, 6. Auflage 1905–1909